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Kindergarden People

Sie zu behüten ist nicht einfach. Vor allem, wenn sie mit ihrem „Mammi, Mammi!“ und großen Augen sofortige Aufmerksamkeit fordern. Bedingungsloses alles stehen und liegen lassen. „Mammi“ hat keine Ansprüche zu haben. „Mammi“ hat es ja so gewollt, weil sie alles hat durchgehen lassen.

Da sitzt sie nun, die Bande. Irgendwo im Garten. Ein Sandkasten. Eine Schaukel. Ein Kaninchen zum schmusen. Klein Eberhard läuft heulend herum und plärrt alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist, weil ihm klein Tina seine Sandburg zertreten hat. Er war so stolz auf sein Bauwerk. Andere haben sie bewundert, in seinen Augen. Dabei war diese stolze Burg nur ein krummer Haufen Sand, zusammengeschüttet aus Verzweiflung und Geltungssucht. Die anderen Kinder sind genervt, doch das lässt klein Eberhard nicht gelten. Er tut ihnen weh, wenn sie seine Meinung nicht teilen. Tritt sie gegen das Schienbein. Und anstatt zu heulen, zieht er das Kaninchen an den Ohren, bis seine Schurrhaare sich krümmen. Letztens ist er gebissen worden. Darauf hat er das Kaninchen auch getreten.

Klein Jörg, unermüdlich dabei, mit seinem Schäufelchen herumzulaufen, erklärt jedem, der es nicht hören will, was man damit alles machen kann. Drückt den Anderen das Schäufelchen in die Hand. Wartet darauf, dass sie etwas tun. Kam neulich an und wollte mir „sein“ Werk zeigen. Es sei wichtig, dass etwas gebaut wird. Aber es ist unwichtig, wer dies getan hat, solange man ihn dafür lobt. Klein Charlie sagte ihm neulich, es sei wichtig, eine Sandburg zu bauen und zog klein Anja hinter sich her. Während klein Anja sich Mühe gab, den Sand zusammenzukratzen, den die Anderen so fein säuberlich weggefegt hatten, hat klein Charlie ihr Butterbrot aufgegessen. Als klein Anja dies gemerkt hatte, hat sie sich still hinter einem Busch versteckt und das Kaninchen gestreichelt. Seit dem sitzen klein Jörg und klein Charlie vor dem verbliebenen Sandhaufen, und malen sich aus, wie er hätte aussehen können.

Klein Christoph sitzt in der Mitte der Sandkastenbank. Er beobachtet. Neben sich immer ein großer Haufen Äpfel. Er weiß, die Anderen wollen einen Apfel. Daher dürfen sie ihm einen Apfel geben, wenn sie für ihn eine Sandburg bauen. Wer die schönste Sandburg gebaut hat, bekommt dann die Äpfel. Klein Micha, der Glückspilz, beißt von jedem Apfel vorher ab, hat aber noch nie einen Apfel mitgebracht. Kommt dann immer an und verkündet, wie gut dieser oder jener Apfel doch geschmeckt hat.

Klein Ralf sitzt mitten im Sandkasten und plärrt vor sich hin. Er könne nicht spielen, wenn er kein Schäufelchen hätte. Aber jedes Schäufelchen, das man ihm hinstreckt, ist ihm nicht gut genug. Das eine zu rot, das andere zu klein - nein, jetzt mag er nicht. Die anderen Kinder, die ihm helfen wollten, sind langsam genervt und gehen an ihm vorüber.

Letztens habe ich versucht, mehrere Kinder dazu zu bewegen, gemeinsam eine Sandburg zu bauen. Einer schüttet Sand auf, einer holt Wasser, ein anderer formt die Zinnen. Klein Stefan schwenkte sein großes Schäufelchen. Die Anderen freuten sich, denn damit wäre die Arbeit sicher schnell getan. Jetzt sitzt klein Stefan in einer anderen Ecke des Sandkastens und scharrt Sand mit seinem ach so großen Schäufelchen, während sich die anderen Kinder abmühen, doch noch gemeinsam eine Sandburg zu bauen. Ihren Eimer hat er auch noch mitgenommen.

Verzweiflung und Unverständnis drängen sich auf. Und doch ist es unsere Pflicht, sie zu behüten. Mit unseren Nerven und unserer Geduld. Auch wenn uns der Verstand befiehlt, sie mögen aus ihren Fehlern selbst lernen und endlich erwachsen werden. Wir wissen, sie werden es nie. Das ewige Drama der Weiblichkeit: Zurückgestellte Wut.

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