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Die Eckpunkte der deutschen Gesellschaft

Unser Weltbild wird ja heutzutage zwischen den Wahlen an Eckpunkten aufgehängt. Oder abgehängt? Nun, das kommt drauf an, ob es manchem zu hoch hängt. Früher, ja früher war alles besser: Je höher man gehängt würde, desto schneller trat der Tod ein. Aber heute? Bei einigen Politikern steht da bereits ein Stuhl unter dem Galgen, auf dem sie bequem Platz nehmen können. Und so mancher Journalist scharrt mit den Füßen im Dreck herum. Denkende Journalisten werden heute übrigens vorwiegend erschossen. Ein Angriff auf die Pressefreiheit? Welche Pressefreiheit?

Ein beispielloser Eckpunkt unserer Gesellschaft sind zweifelsohne die Medien. Sie halten die Gesellschaft bei Laune, geben schillernde Trends vor und bilden ihre eigenen Kreise. Dreidimensional gesehen nehmen sie dabei einen immer größeren Raum ein. Wir sagten früher als Kinder „Seifenblasen“ dazu. Ihre Archive sind voll. Voll von zukünftigen Entwicklungen, eingereicht vor fünfzehn Jahren, wenn man mal wieder ein Loblied auf die deutsche Forschung schreiben muss. Voll von Rechtfertigungen von Industriebossen, bei denen man glauben könnte, es handle sich um einem Zusammenschnitt des Monologs mit dem Familienhund. Voll von Konzernmitteilungen über Entlassungen. Voll von Talkshows und billigem Abklatsch der menschlichen Schwächen – breitgetreten wegen der Sendezeit. Aber in ihren Archiven fehlen zwei Dinge: Übersicht und Hintergrund. Daher auch Eck-PUNKT.

Die Familie: Ja warum denkt denn niemand an die Familie? Außer natürlich denen, die dafür bezahlt werden in den Medien daran zu denken. Die anderen, die dafür bezahlt werden zu handeln, schieben Akten von einem Schreibtisch einer Behörde zum anderen Schreibtisch einer anderen Behörde. Auf der Strecke bleiben die, deren Familie nicht mehr so ganz ins Pressebild passt. Vater arbeitslos, Mutter tot. Kind zu Tode gequält und im Kühlschrank verscharrt. Das Entsetzen darüber sollte uns länger ins Gesicht geschrieben stehen, als der Beitrag in den Nachrichten lang ist. Die Betreffenden – nicht die Betroffenen – treten zurück. Ziehen damit ihre politischen Konsequenzen und wundern sich über die Nichtwähler, die auch schon lange ihre politischen Konsequenzen gezogen haben, auch nichts mehr damit zu tun haben wollen. Jaja, die Deutsche Familie reduziert sich eben immer mehr auf das Individuum. Es hat sich was mit Vater, Mutter und 2,4 Kindern. So kann man die Problematik auch auf den Punkt bringen.

Die Werte und Tugenden – beinahe auf Null reduziert. Muss ich da noch mehr sagen als „Punktum“? Eigentlich darf meine Generation diese beiden Worte überhaupt nicht mehr in den Mund nehmen. Wir haben gelernt, dass man sich durch Werte und Tugenden mitschuldig machen kann, auch wenn es überhaupt nicht die eigenen sind. Also lassen wir die Finger davon und betrauern leise den Verlust der Loyalität, der Ehrlichkeit, der Intelligenz, der Solidarität, der Verantwortung, der Toleranz und der Gradlinigkeit. Wir haben uns von unseren Träumen verabschiedet. Von der Vorstellung, wie es sein könnte. Die Realität sieht ganz anders aus. Dunkel und klein im Geiste. Was würde dieses Bild besser beschreiben, als ein Punkt?

Nun haben wir also drei Eckpunkte. Damit lässt sich schon ein recht flaches Gebilde konstruieren. Aber wir wollen ja höher hinaus. Aus der Physik wissen wir, dass Wärme nach oben steigt. Und was eignet sich besser dazu, als dies mit Rauch sichtbar zu machen? Der Nichtraucher! Oh, ja! Der Nichtraucher ist zweifellos die Entwicklungsstufe der Menschheit, die gleich nach dem Homo Sapiens auf der Bildfläche erscheint. Er tritt auf, als hätte ihm Darwin die ewige Absolution erteilt. Als Held gegen Feinstaub, Steuererhöhung, Gesundheitsreform, Pharmaindustrie und Krebsforschung. Viele Aufgaben für jemand, dessen Hirnaktivitäten nicht durch Nikotin angeregt werden. Daher braucht er seine Lobby, die ihn schützt, hegt und pflegt wie eine Tomate in Hollands Gewächshäusern. Er lässt sich auch gut verkaufen. Für dumm und in den Medien natürlich. Und jeder ist in der moralischen Verpflichtung, seine Statements mit einem Punkt zu beschließen.

Wir hätten nun die dritte Dimension erreicht. Wie die Wissenschaft bewiesen hat, ist es den Menschen nicht möglich, weitere Dimensionen sensorisch zu erfassen. Damit hat auch die Suche nach weiteren Eckpunkten jeden Sinn verloren. Wer mehr vorgibt, ist entweder Politiker oder Stephen Hawking.

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