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Überflieger unten durch – Krankenkassen

In diesem Land bist du als Selbständiger (also als das, was unsere Koalition der Willigen so schön „das Rückrat unserer Gesellschaft“ nennt) Freiwild für die Krankenkassen. Insbesondere, wenn du noch in der „Start-Up“ Phase bist. Zu versteuerndes Einkommen: 0,00 Euro (in Worten: Null komma Null Null). Monatlicher Krankenkassenbeitrag: 320 Euro.

Drei Wochen, bevor dir das Finanzamt deinen letzten Steuerbescheid zuschickt, bekommst du einen Drohbrief eingeworfen. Sie werden dich in den Höchstbeitrag einstufen, wenn du dich nicht sofort (!) erklärst. Du rufst an, dass ihnen der letzte Steuerbescheid doch vorliegt. Ein ängstlicher Blick aus dem Fenster bestätig: noch stehen keine Schlägertrupps davor. „Bitte faxen Sie die Erklärung oder schicken Sie sie mit der Post unterschrieben zu“. So getan. Nach drei Wochen erhältst du deinen neuen Steuerbescheid (zu versteuerndes Einkommen: 0,00 Euro) und gibst ihn pflichtbewusst an die Krankenkasse weiter. Nach einer Woche erhältst du die Neuberechnung deiner Beiträge. Monatlicher Krankenkassenbeitrag: 328 Euro. Nach sechs Wochen erhältst du wieder die Aufforderung zur Erklärung, die du, wie du ja gelernt hast, unterschreiben und zufaxen musst, sonnnnst …!

Soviel zu den 15,? % Krankenkassenbeitrag. Gut, Pflegeversicherung kommt auch noch dazu. Aber Krankentagegeld kannst du vergessen. Hast ja kein Einkommen, hahaha! Und wehe, du brauchst mal eine neue Brille oder Zähne. „Wir übernehmen die Portokosten für unsere Mahnbriefe!“ – das wäre doch mal ein ehrlicher Werbeslogan.

Da hilft nur, die nicht vorhandenen Zähne zusammengebissen, und sich gemäß SGB V, § 305, Satz 1 mal eine, jedem Versicherten auf Antrag zustehende, Auskunft einzufordern, welche Leistungen und Kosten man der armen, ausgehungerten Krankenkasse im Zeitraum der mindestens 18 letzten Monate aufgebürdet hat. Wäre doch mal ganz interessant, welche Kosten das sogenannte „Rückrat der Gesellschaft“ wirklich verursacht und sie mit den anderweitig ermittelten Zahlen zu vergleichen.

Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen in 2012 betrugen gemäß dem Bundesministerium für Gesundheit 189.600.000.000 Euro. Bei 69.000.000 Versicherten und Gesamtausgaben 173.150.000.000 Euro (in 2012) wären es je Versichertem 2.477,11 Euro – mein Mitgliedsbeitrag in 2012 waren 3.226,47 Euro. Die Krankenkasse meines Vertrauens hat in ihrem Geschäftsbericht 2012 Ausgaben von 17.300.000.000 Euro bei 8.260.438 Versicherten (also Ausgaben pro Versicherten von 2.094,32 Euro).

Weitere Zahlen sind auch interessant. So hat der Verein meines Vertrauens die Verwaltungsausgaben von 2011 auf 2012 um > 20% erhöht, die Rückstellungen um > 30%. Das Sondervermögen AAG (also z.B. Vorschüsse an Arbeitgeber, Betriebsmittel oder die Kosten für Drohbriefe) wurde in diesem Zeitraum mehr als verdoppelt. Nebenbei scheint man sich auch in Finanzgeschäften wie Wertpapierhandel und anderen Geldanlagen verstärkt zu engagieren.

Spannend sind auch die Ausgaben der Krankenkassen und deren Zahlendifferenzen. Spricht der Verein meines Vertrauens noch vor der Bilanzdarstellung/Vermögensrechnung von 17,3 Mrd. Euro Ausgaben, taucht in der Bilanz ein Wert für die Leistungsausgaben von 16.131.802 Euro (damit je Versicherter 1.989.06 Euro) auf.

Da kann man doch echt mal gespannt sein auf die fast 1 Mrd. Euro Dividendenausschüttung aus den Vorbilanzzahlen. Das wären je Beitragszahler (nicht Versicherte!) etwas 167 Euro. Träum weiter, Mädel, und kauf die eine Packung Strohhalme. Für neue Zähne reicht das nicht! Und was die Zahlen betrifft: Gebt mir einen Würfel, ich bin nicht Gott.

 

Nachtrag vom 28. August 2013
Eine Antwort! Nur, auf welche Frage? Jedenfalls nicht auf den Antrag, den du gestellt hat. Die Aufstellung aller Leistungen und Kosten. Zurück bekommst du 1. den falschen Zeitraum, 2. nur die Leistungen, die Apotheken abgerechnet haben. Nett! Und besonders der arrogante Tonfall versichert dir, dass du HIER kein König Kunde bist. Ein maschinell erstelltes Anschreiben ohne Unterschrift. Arbeiten dort wirklich nur noch Computer? Für was dann die hohen Personalausgaben und Rückstellungen?
Und dann die Satzung: Sie sieht eine Auskunft an Patienten überhaut nicht vor. (Nun gut, damit gilt Deutsches Recht ;-)

Nachtrag vom 1. September 2013
Ab sofort bekommst du täglich Post von der Krankenkasse. Jedes Schreiben in einem unverschämten, um nicht zu sagen "rotzigen", Tonfall. Jedes Schreiben zieht eine andere Basis für die Wischiwaschi-Auskünfte heran. Informationen hat du nicht wirklich. Zwischenzeitlich haben sie sogar festgestellt, dass sie dir für die Zahnprothese einen Zuschuss bewilligt haben. Aber nicht, in welcher Höhe. Was ist das hier? Verstehen Sie Spass?

Auskunft an die Versicherten (SGB V / § 305, Satz 1)
„Die Krankenkassen unterrichten die Versicherten auf deren Antrag über die in einem Zeitraum von mindestens 18 Monaten vor Antragstellung in Anspruch genommenen Leistungen und deren Kosten.“

Patientenquittung
„… umfasst immer die maximal vergangenen 18 Monate, unabhängig davon, ob Sie ggf. einen anderen Zeitraum gewünscht haben.

Soso. Da stehen also wieder welche über dem Gesetz und den "Kunden".
Merke: Alle 18 Monate Anfrage schicken, damit man diesem Selbstbedienungsladen namens „Gesundheitswesen“ mal auf die Finger schauen kann

Aktuelles aus der Presse:
Manipulationsverdacht bei Krankenkassen (Handeslblatt (online) vom 03.09.2013)
Sparen bei der Gesundheitsvorsorge (Der Westen (online) vom 01.09.2013)
Der Kassentest (Stiftung Warentest (online) am 03.09.2013)
Krankenkassen lehnen Leistungen ab (Deutsches Ärzteblatt 2013-110 (online))
Die Rosinenpicker (Stuttgarter Zeitung (online) vom 28.08.2012)
Skrupellos (SWR Landesschau)
Bundesversicherungsamt (Tätigkeitsbericht 2012)

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