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Justitia

Das ist die Dame mit dem Schwert in der einen und der Waage in der anderen Hand. Die Dame, die auf beiden Augen blind ist, weil man sie ihr verbunden hat. Die alten Römer sahen in ihr den Ausgleich. Die alten Griechen hingegen die Rache. Heute steht sie nur noch für das System Justiz.

Das Schwert (ohne Zepter, Reichsapfel und Krone) verweist eigentlich auf die Macht eines edlen und wehrhaften Mannes. Nur, auf wen? Im Mittelalter war dies einfach: Papst, Kaiser, König, Fürst. Aber heute? Auf Mutti oder auf unseren Freiheitsterrorethiker? Kriegerisch auf jeden Fall. Doch das war nicht immer so. Anfangs trug Justitia einen Ölzweig. Als Zeichen des Friedens. Heute würde der gestreckte Mittelfinger reichen. Schwerter sind aus der Mode gekommen.

Die Waage, entlehnt aus der altägyptischen Mythologie, dient zum Nachweis der vollzogenen Ordnung. Die Taten des Verstorbenen (das Herz) wurden gegen die Feder der Göttin Ma’at gewogen. War diese zu leicht oder zu schwer (!), wurde er von der großen Fresserin Ammet endgültig getilgt. Nur wenn beide Waagschalen im Gleichgewicht waren, kam er ins nächste Leben. Heute leben die Täter (in dubio prosecco), meist gut geschützt durch das System, weiter und die Waagschale der Feder bleibt leer. Ordnung ist austauschbar geworden. Dafür variiert die Waagschale des Delinquenten nach oben oder untern. Je nach Deal, Anwaltshonorar, Auslastung der Staatsanwaltschaft oder Überlastung der Richter.

Die Augenbinde steht für ein Urteil ohne Ansehen der Person. Ohne die Person zu betrachten, über die gerichtet werden soll. Böse Zungen behaupten sogar, ohne sich den Fall jemals näher angesehen oder auf Berater gehört zu haben. Die Augenbinde verläuft ja auch noch über die Ohren hinweg. Seit Ende des 15. Jahrhunderts steht sie als Spott über die Blindheit der Justiz. Bei den alten Römern trug Justitia nämlich noch ein strahlendes Diadem. Diesen Spott hatte man aber schnell wieder im Griff. Er wurde ganz einfach als Unparteilichkeit umgedeutelt. Heute wissen wir: Recht ist teuer. Wer bezahlen kann, bekommt es. Die Kosten trägt der Veruteilte. Oder die Allgemeinheit.

Ist Justitia eine Frau? Wer weiß? Hier wird eine Tugend jedenfalls weiblich dargestellt. Die Tugend des Aushaltens. Justitia verlässt erst am Ende des Fünften, Eisernen Zeitalters die Menschen. Zusammen mit Astraea. Beide sind aus dem Göttergeschlecht, das weder Achtung, Respekt noch Heiligkeit kennt. Hesiod bezeichnet dieses Zeitalter als das jämmerlichste und verkommenste des gesamten Weltenalters. Zumindest er erkannte die Tugend des Durchhaltens bis zum Schluss als weiblich. Heute würde man sagen: „Schön blöd!“.

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